Zartbittertod

Nougat, Pistazienganache, Marzipan, Kardamom ... Was haben diese verführerischen Zutaten edler Chocolaterie mit der deutschen Kolonialgeschichte im Allgemeinen und der Familiengeschichte des Mädchens Mia aus Meißen im Besonderen zu tun? Dem kommen sowohl die Leserinnen und Leser als auch die angehende Journalistin und (verhinderte) Patissière erst nach und nach auf die Spur: beim mühsamen und lebensgefährlichen Aufdröseln der verwickelten  Lebensstränge von Mias Urgroßvater Jakob, der einst mit einem Soldaten und später erstaunlich erfolgreichen Schokoladenfabrikanten aus dem deutschen Kolonialgebiet in Afrika zurückkam. Klingt schon kompliziert genug? Es wird aber noch viel verwirrender, wenn es um halb zerfallene Schriftstücke in Sütterlin-Schrift, eine Kriegerausrüstung auf dem Dachboden, zwei Morde, ein Projekt in Namibia und den höchst attraktiven Erben des Schokoladen-Imperiums geht, das ganz offensichtlich höchst ominöse Wurzeln hat ...

Eine Themen-Mischung, die ungefähr so ungewöhnlich ist wie Mias Schokoladenkreationen - wobei sie erheblich besser funktioniert als die experimentelle Roquefort-Zartbitter-Mischung der Heldin! Man muss schon gehörig schlucken bei den eingestreuten (und z.T. authentischen) Auszügen aus den Kriegstagebüchern eines Kolonialsoldaten, der um die Jahrhundertwende an der Vernichtung der Herero-Bevölkerung durch deutsche Soldaten beteiligt war. Inhalt und Tonfall zeigen deutliche Parallelen zu den erst Jahrzehnte später verbreiteten Parolen des Nationalsozialismus, aber auch zu ganz aktuelle O-Tönen. Daneben liest sich die Spurensuche im außergewöhnlichen Milieu der Schokoladenfabrikation auch noch sehr spannend und unterhaltsam und wird - natürlich - mit einer kleinen Liebesgeschichte gewürzt. Ein gelungener Schmöker mit Denk- und Diskussionsanstößen. Ab ca. 14 Jahre

Ausgezeichnet mit dem Leipziger Lesekompass 2019