Das ist Farid. Farid ist zehn Jahre alt und lebt seit einem halben Jahr mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester in Deutschland. Farid liebt Geschichten über mutige Helden mit Superkräften. Manchmal stellt er sich vor, dass er auch welche hätte. Dann könnte er zu seinen Freunden nach Hause fliegen und mit ihnen spielen. Mit seinen Freunden hat Schule immer Spaß gemacht. Zusammen haben sie gelesen, gerechnet und Quatsch gemacht. Sein Vater hat ihm immer gesagt, wie viel Glück er hat, zur Schule gehen zu können. Das kann zu Hause nicht jedes Kind. Deswegen hat Farid sich immer besonders angestrengt. Jetzt lebt er in einer neuen, für ihn fremden Umgebung mit einer fremden Sprache und muss wieder ganz von vorn anfangen.
Seine Eltern sind gebildet – aber fremd in einem neuen System
Farids Mutter ist Zahnärztin, sein Vater Informatiker. Beide sind entschlossen, in Deutschland neu zu beginnen. Sie besuchen Integrationskurse, haben selbst schon etwas Deutsch gelernt, kümmern sich um Anträge. Sie wollen, dass Farid und später auch seine Schwester erfolgreich sind. Doch Farids kleine Schwester hat immer noch keinen Kitaplatz, die Teilnahme am Deutschkurs ist für seine Eltern daher oft schwer.
Farid besucht eine DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache)
Farid ist motiviert, aber auch zurückhaltend. Die Lehrerin ist nett, doch er versteht noch nicht viel. Er bemüht sich – aber oft fehlen ihm die Wörter, um mitzureden oder sich zu melden. Manche Kinder sprechen ihn auf Deutsch an und lachen, wenn er nicht sofort antwortet. Das macht ihn unsicher. Zu Hause war er immer laut und witzig, jetzt ist er leise und oft traurig. Damit er besser Deutsch lernen kann, besucht er zusätzlich eine DaZ-Klasse. Manchmal würde er so gerne kurz seine Gedanken in seiner Sprache erklären. Doch das geht nicht, denn die Lehrerin spricht nicht seine Sprache. Sie muss sich auch um viele andere Kinder kümmern, die alle noch nicht gut Deutsch können. Seinen Eltern will er von seinen Sorgen nichts erzählen. Sie sind so schon oft gestresst genug.
Kulturelle Unterschiede führen zu Missverständnissen
Farids Eltern möchten ihren Sohn in der Schule unterstützen, trauen sich aber nicht immer, Fragen zu stellen. Es gibt auch kein Personal an der Schule, das ihre Sprache spricht oder übersetzen könnte. Elternabende sind eine Hürde – nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell: In ihrer Heimat mischen sich Eltern nicht in schulische Abläufe ein. In Deutschland wird das erwartet. Es muss sogar sein, damit Kinder in jedem Fach mitkommen. Farids Eltern möchten helfen – aber sie wissen nicht, wie. Farid ist lernwillig, engagiert und trotzdem benachteiligt. Seine Lehrkräfte geben ihr Bestes, aber viele fühlen sich überfordert. Was das für Farid bedeutet? Wird er jetzt nicht unterstützt und motiviert, wird er das Bildungssystem mit geringeren Chancen durchlaufen. Dabei hat Farid im Vergleich zu vielen anderen Kindern mit Migrationsgeschichte sogar noch bessere Voraussetzungen: Seine Eltern sind hoch gebildet, kennen Anlaufstellen und haben grundsätzlich die nötigen finanziellen Mittel für Nachhilfe oder auch Lesematerial.
Sprache ist mehr als Wörter – sie ist der Schlüssel, um das eigene Leben zu gestalten
Viele Kinder mit Migrationsgeschichte haben das nicht. Sie sind häufiger von zwei – in Deutschland – großen Bildungshürden betroffen: Armut und ein Elternhaus, das den Kindern bei Problemen in der Schule nicht helfen kann. Das Ergebnis: Kinder mit Migrationsgeschichte erreichen im Durchschnitt geringere Kompetenzen in Lesen und Sprache. Sprachförderung, spannender Lesestoff und finanzielle Ressourcen sind oft Mangelware – zu Hause und in der Schule. Schlechte Leistungen liegen nicht daran, dass die Kinder nicht lernen können oder wollen, sie brauchen aber mehr Unterstützung – und die bekommen sie im deutschen Bildungssystem oft nicht.