Das ist Kim

Hier können Sie die Geschichte von Kim noch einmal nachlesen.

Das ist Kim

Kim ist sieben Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Sie liebt Tiere und malt gerne Bilder. Einhörner, Katzen, Elefanten oder auch mal eine Karte für ihre Mama – einfach was ihr gerade einfällt. Mit ihren Freundinnen in der Schule springt sie in der Pause gern Seil, turnt oder sie denken sich Geschichten rund um ihre Lieblingspferde aus. Clara hat ihr zuletzt ein Freundschaftsbuch gegeben. Kim hat viel gemalt auf ihrer Seite, so viel aufzuschreiben wie die anderen war ihr zu anstrengend. Überhaupt Lesen und Schreiben fallen ihr noch sehr schwer. Wenn sie einen Satz liest, stolpert sie oft über die Wörter. Beim Freundschaftsbuch hat ihre Mama beim Abendessen schnell nur ein paar Einträge vorgelesen. Dabei hätte Kim eigentlich gern alles gewusst, aber allein kann sie noch nicht alles lesen. Mama sagt sie hat noch so viel zu tun und wenn sie Papa manchmal am Wochenende sieht, dann spielen sie zusammen oder schauen einen Film. Für das Freundschaftsbuch oder Lesen überhaupt ist dann auch keine Zeit.

Kim lebt mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in einer großen Wohnsiedlung

Zu Hause beschäftigt sich Kim oft selbst. Sie bastelt gern, puzzelt oder baut etwas mit ihren Spielsteinen. Ihre Mutter arbeitet Vollzeit. Sie ist alleinerziehend – wie etwa 2,3 Millionen andere Frauen in Deutschland. Oma und Opa wohnen weit weg, der Vater ist seit der Trennung nur selten da, Hilfe ist rar, Geld begrenzt – Bücher, Zeit für Vorlesen oder gemeinsames Lesen üben? Kaum vorhanden. Kim liebt Geschichten, aber selbst zu lesen ist ihr zu anstrengend und überhaupt – die Bücher, die sie zu Hause gefunden hat, sind für Babys oder langweilig. Da hört sie lieber Bibi und Tina-Folgen auf Spotify. Manche Wörter versteht sie zwar nicht, aber die Geschichten machen trotzdem Spaß.  

In der Schule kämpft Kim um Anschluss im Unterricht

Ihre Lehrer*innen merken, dass es Kim Mühe bereitet, flüssig zu lesen und Gelesenes zu verstehen. Und sie ist damit nicht allein: In Deutschland kann jedes vierte Kind am Ende der Grundschulzeit nicht ausreichend gut lesen. Das bedeutet: Sie wissen am Ende des Satzes nicht, was am Anfang stand. Ein Grund dafür ist, dass – wie Kim – viele dieser Kinder wichtige Grundlagen für das Lesenlernen, wie z. B. das Vorlesen, zu selten erleben. Denn wie Kims Mama lesen 32 % der Eltern ihrem Kind nie oder zu selten vor. Dahinter steckt kein böser Wille, sondern Gründe, die viele Eltern betreffen: Stress, Zeitmangel, Unsicherheiten und fehlendes Lesematerial. In der Schule starten die Kinder dann mit einem Nachteil und oft fehlt ihnen zusätzlich zu Hause Unterstützung beim Lesenüben. Doch Lesen lernt sich vor allem durch Übung – und das ist anstrengend. Ohne Förderung zu Hause und auch spannendes Lesematerial ist die Motivation bei Kindern verständlicherweise gering. Können die Eltern ihren Kindern beim Lesenlernen nicht helfen, wird es schwer. Die Schule müsste eigentlich jedes Kind passend zum aktuellen Lernstand fördern – doch sie kann es oft nicht. Die Lehrkräfte sind engagiert, aber am Limit. Zu große Klassen, zu wenig Personal. Es bleibt kaum Zeit für individuelle Förderung. Kim bräuchte gezielte Unterstützung, erhält sie aber nicht. In kaum einem anderen Land hängt der Bildungserfolg so stark vom Elternhaus ab wie in Deutschland.

Kim ist nicht dumm – sie wird benachteiligt
Kim beginnt, an sich zu zweifeln. Sie glaubt, sie sei einfach nicht gut im Lesen. Das Problem: Kinder mit Leseschwierigkeiten meiden das Lesen und fallen so noch weiter zurück, während Kinder, die schon gut lesen können, häufiger lesen und sich weiter verbessern. Der Abstand wird also immer größer. Doch Kinder wie Kim haben Potenzial, ihnen fehlt „nur“ die gezielte Unterstützung. "Starke" und "schwache" Lesekompetenz sind keine feste Eigenschaft, sondern Ergebnis unterschiedlicher Voraussetzungen. Und diese können wir verändern – wenn wir es wollen. 

 

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