Statement – Hintergrund: Keine guten Nachrichten zum Weltalphabetisierungstag: Rund 20 Prozent der Erwachsenen zwischen 16 und 65 Jahren in Deutschland können nur schlecht lesen und schreiben – das entspricht 10,6 Millionen Menschen. Das ist das Ergebnis einer Sonderanalyse der internationalen PIAAC-Daten zur Entwicklung der Lese- und Schreibkompetenzen Erwachsener.
Forschende der Universität Hamburg haben sowohl die Daten der LEO-Studie 2018 als auch die aktuellen, internationalen PIAAC-Daten von 2012 bis 2023 untersucht und in der „LEO PIAAC 2023“- Sonderanalyse zusammengefasst. Das Ergebnis zeigt, dass die Zahl der Erwachsenen, die Buchstaben, Wörter und einfache Sätze nur mit größeren Fehlern entziffern können, stagniert. Einziger Lichtblick: zumindest hat sich die Situation in Deutschland nicht verschlechtert.
Betroffen von schlechter Lesekompetenz sind häufig Männer, ältere und zugewanderte Menschen in erster Generation. Allerdings zeigt auch die Sonderanalyse: Migration selbst ist nicht der ausschlaggebende Faktor für geringe Literalität, sondern der ökonomische Status ist entscheidend. Geringe Literalität hat nicht nur Auswirkungen auf den beruflichen Alltag und die Karrierechancen, sondern auch auf viele Teilbereiche des alltäglichen Lebens. So haben Menschen, die nicht gut lesen können, Probleme sich im komplexen Gesundheitssystem zu orientieren, sind stärker von Fake News betroffen und fühlen sich häufiger politisch abgehängt. Zusammen mit den Befunden zahlreicher, aktueller Bildungsstudien zeichnet sich ein alarmierendes Bild für die Zukunft.
Statement von Sabine Uehlein, Geschäftsführerin Programme Stiftung Lesen
„Dass jeder fünfte Erwachsene nicht ausreichend lesen und schreiben kann, ist in einem Bildungsland wie Deutschland erschreckend. Wir wissen seit Jahren, dass sich fehlende Lesekompetenz negativ auf das Selbstbild der Menschen und ihre Beteiligung am gesellschaftlichen Leben auswirkt und bekommen es nun erneut bestätigt. Ganz abgesehen davon sind wir als ressourcenarmes Land auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Wir sehen schon im Grundschulalter, wie sehr Bildungserfolg der Kinder vom Elternhaus abhängig ist. Alphabetisierungsangebote für Erwachsene sind richtig und wichtig. aber wir müssen schon viel früher die Weichen stellen und stärker als bisher in unser Bildungssystem investieren. Wir fordern: Jedes Kind muss eine Chance bekommen, lesen zu lernen und damit die Grundlage für Bildung zu erlernen. Dafür braucht es vor allem vier Dinge: Politischen Willen und entsprechende Ressourcen, Aufklärung über die Wichtigkeit von frühkindlicher Bildung und Impulsen wie regelmäßigem Vorlesen sowie gute Programme, die an der Wurzel ansetzen und alle Bezugspersonen von Kindern miteinbeziehen.“
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